Endlich geht es wieder auf die Kirmes zu… 

Nach den Jahren der Pandemie und den dadurch nur eingeschränkt möglichen Feiern könnte es in diesem Jahr gelingen, wieder nach den alten Traditionen Kirchweih zu feiern. Im Amt Creuzburg ging Ebenshausen bereits mit einer gelungenen Kirmesfeier auf dem Anger im Sommer voran. 

Mihla folgt nun am 15. und 16. Oktober, den traditionellen Terminen, den Abschluss wird die dritte Kirmeshochburg Scherbda dann am Ende des Monats setzen. 

Erinnern wir uns, was diese Kirmesfeiern so schön gemacht hat, so wichtig, dass sie noch heute als Hauptfest im gesellschaftlichen Leben der Orte gelten: Kaum neigt sich der Sommer seinem Ende entgegen, dann ist es nicht mehr weit bis zum Beginn der Kirmeszeit. Erinnern wir uns an die überlieferten Bräuche und Abläufe für dieses Fest. 

Kirmes, eigentlich Kirchmesse, bezeichnete ursprünglich die Weihe der neu gebauten Kirche. Kirchweihfeste sind in Deutschland schon im 11. Jahrhundert vermeldet. Schon damals scheinen sie einen recht weltlichen Charakter angenommen zu haben, denn gerade auf den Dörfern waren sie mit Jahrmärkten, Possenspielen und anderen Späßen verbunden, so dass man sich gegen diese Auslegung der eigentlichen religiösen Handlung von offizieller Seite verwahrte. 

Interessant ist bei diesen alten Meldungen, Kirmes stand immer in Verbindung mit der Weihe einer Kirche, häufig mit damit verbundenen Jahrmärkten, und war ein Fest, welches von der gesamten Bevölkerung des Ortes, der Region, angenommen wurde. 

Diese Einschätzungen treffen in verstärktem Maße auch auf Mihla und unsere Region zu: Die Mihlaer St. Martinskirche ist die älteste Kirche am Mittellauf der Werra. Ihre Entstehung kann, geht man von der Bedeutung des Martinspatroziniums aus, im Verlauf des 8. Jahrhunderts angenommen werden. 

Häufig wurden die christlichen Weihefeiern bewusst auf den Herbst gelegt. Sicher war damit auch der Abschluss der Bauarbeiten an der Kirche vermeldet, aber es ging auch darum, heidnische Bräuche zum Abschluss der Ernte, Dankfeste an die Fruchtbarkeitsgötter, mit neuem christlichen Inhalt zu überlagern. So ist es zu erklären, dass Kirmesfeste in den meisten Orten der Region im Oktober, nach dem Abschluss der Ernte, stattfinden. 

Die Mihlaer Kirmes lässt sich in den schriftlichen Aufzeichnungen bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Bekannt ist, dass die Mihlaer 1651 ihr erstes Kirchweihfest nach dem großen Kriege, dem 30jährigen Krieg, feierten. Ab 1681 tauchen von der Gemeinde bezahlte „Tanzknechte“ zur Kirmes in den Rechnungen der Heimbürgen auf. Sicher sind hierunter Musikanten zu verstehen, die wohl bereits damals aufspielten, vielleicht schon auf dem Anger. 

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts bildeten sich feste Regeln zum Ablauf des Kirmesfestes heraus. Diese wurden allerdings nie schriftlich festgehalten, sondern von Mund zu Mund weitergegeben. Dadurch haben sie sich gegenüber den ursprünglichen Abläufen durchaus verändert, bis sie dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals schriftlich festgehalten wurden. 

Die Kirmesfeier war immer mit Pferden verbunden. Hoch zu Ross ging es im Umzug durchs Dorf, zum Propel, zum Frühschoppen in die Nachbarorte. Ganz wichtig war das Wettreiten, eine besondere Ehre, alle anderen Bauernsöhne geschlagen zu haben! Pferde besaßen nur die „Anspänner“, die reicheren Bauern im Dorf. Deren Söhne dienten, weil sie den Umgang mit den Pferden gewohnt waren, auch meist in den Reiterregimentern der Fürsten und brachten von dort ihre Uniform mit. Entlassung war meist in den Herbstmonaten, so dass dies ein Grund gewesen sein kann, warum einige Mitglieder des „Stabes“ in Uniformen aufritten. 

Sich nach der Entlassung das erste Mal in der alten Uniform vor der Dorfgemeinschaft und den Mädchen zu zeigen, das gefiel! Wann die Tradition in Mihla aufkam, den Vorreiter in blauer preußischer Dragoner - ursprünglich Ulanenuniform - und die beiden Husaren in roten Dolmanen der Husarenabteilung aufreiten zu lassen, ist nicht eindeutig geklärt. Die gleiche Sitte herrscht noch heute in einigen der umliegenden Dörfer (in Lauterbach, Bischofroda, Berka, Nazza und Scherbda), wobei die dort vorherrschenden Farben der Dolmane (grün, blau) wohl auf die Zugehörigkeit ihrer Träger zu anderen Rekrutierungsbezirken zu erklären sind. Unsere Untersuchungen anhand ältester Fotos ergaben, dass die Mihlaer rote Husarenuniform aus der Zeit um 1830 stammt.


Weimarer Husar in einer Darstellung des 19. Jahrhunderts. Die Weimarer Husarentruppe entstand 1725. Nach 1808 wurde sie nur noch zu Ordonnanzdiensten eingesetzt. Die abgebildete Uniformierung mit dem Tschako entstand nach 1808. 

Im Zusammenhang mit den Uniformen des Stabes ist auf weitere Besonderheiten der Mihlaer Kirmes zu verweisen:  Nur in Mihla reitet ein Vorreiter, nur hier sind drei Husaren beteiligt. Zwar sind ältere Fotografien aus dem Nachbarort Lauterbach bekannt, auf denen ebenfalls ein Vorreiter in Dragoneruniform zu erkennen ist, doch scheint diese Sitte vielleicht durch die Zugehörigkeit zur gleichen Kirche beeinflusst zu sein und bestand wohl auch nur bis in die Zeit Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. 

Das Kirmesfest des Jahres 1921 brachte dann eine große Überraschung: Während des Festes tauchte plötzlich ein vierter Husar auf und gesellte sich gegen den Widerstand der anderen zur Reiterschar. Ursache des in der Mihlaer Kirmesgeschichte einmaligen Vorgangs war der schon lange schwelende Streit zwischen Bauern- und Arbeitersöhnen, wer als Husar aufreiten darf. Nun hatte Karl Felsberg den Bann gebrochen. Er war der vierte Husar und sein Einsatz verändert die Mihlaer Tradition. 

In diesem Kirmesjahr 2022 werden zwei Husaren aufreiten. Schon jetzt allen Kirmesfreunden ein gelungenes Fest! 


Kirmes im Jahre 1919, die erste nach dem 1. Weltkrieg. Die Kirmesgesellschaft mit Kapelle ist auf dem Hof des „Roten Schlosses“ vorgeritten. Zwei Husaren und der Vorreiter in Ulanenuniform sind zu erkennen. 


Der Mihlaer Karl Felsberg (links) bricht als einmaliger „vierter“ Husar die bäuerliche Tradition der „Husarenstellen“. Von nun an dürfen auch Arbeitersöhne als Husaren reiten. 

Rainer Lämmerhirt
Heimatverein Mihla